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Heißer Herbst für den deutschen Datenschutz 2009

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Autor: Kerstin Blossey

Praxisrelevante Aspekte der aktuellen Änderungen des BDSG

Durch die Skandale von Behörden und der freien Wirtschaft, die in der Weltpresse ihre Runden gezogen haben, hat sich ein politischer Druck aufgebaut, der 2009 endlich so hoch kochte, dass die Volksvertreter den seit Jahren von Fachverbänden und Datenschutzexperten geforderten Änderungen der Gesetzeslage Raum gegeben haben, statt diese Aufgabe in die nächste Legislaturperiode zu schieben, wie es allzu häufig zu beobachten war. Doch die Änderungen werden nicht von allen Fachleuten, die in der Datenschutzpraxis zu hause sind, als brauchbare Verbesserungen zum Schutz der Privatsphäre im Zeitalter globaler Informationszentralisierung interpretiert.


Novellierung des BDSG in drei Akten

Die umfassende Neugestaltung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) wurde in den letzten Jahren immer wieder diskutiert, doch insbesondere die zeitgemäßere Orientierung bei so manchen Punkten wurde immer wieder gescheut. Nach der letzten Änderung durch das "Erste Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft" 2006 finden sich mit den drei Novellen von 2009 gleich zwei grundlegende Reformen: zum einen das Thema "Scoring" inkl. der Tätigkeiten von Auskunfteien, zum anderen die generelle "Verschärfung" des betrieblichen Datenschutzes im öffentlichen und nicht-öffentlichen Bereich. Am 10.07.2009 stimmte der Bundesrat der Novellierung des BDSG zu, in dem er das "Gesetz zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften" beschloss. Er ebnete damit den Weg zu einer dreistufigen Änderung der nationalen Umsetzung der EU-Richtlinie 95/46.
Die folgende Tabelle zeigt die Novellen I – III zum BDSG im Überblick.
Die Übergangsfristen hierzu sind in § 47 BDSG der neuen - zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels nichtamtlichen - Fassung geregelt: "Für die Verarbeitung und Nutzung vor dem 1. September 2009 erhobener oder gespeicherter Daten ist § 28 in der bis dahin geltenden Fassung weiter anzuwenden:

• für Zwecke der Markt- oder Meinungsforschung bis zum 31. August 2010,

• für Zwecke der Werbung bis zum 31. August 2012“.

Weitere Details zu den Novellen können der entsprechenden Synopse entnommen werden.


Aktuelle Kernpunkte der Novellen
Wie aus der Datierung der Novellen zu erkennen ist, beschäftigt derzeit vor allem Novelle II die Fachleute, die bereits zum 1. September 2009 diesen Jahres in Kraft treten wird. Das Gesetzgebungsvorhaben zum Datenschutzauditgesetz (DSAG) wurde auf Grund des allzu komplexen Verfahrens gestrichen, es ist aber ein dreijähriges Pilotprojekt für eine Branche vorgesehen. Sehen wir uns im Folgenden daher einige Änderungen an, die sich unmittelbar auf die Praxis auswirken werden – mit dem Fokus auf die Novelle II.


Werbung, Datenübermittlung,  Listenprivileg und die Einwilligung
Wie schon immer gilt auch weiterhin die Einwilligung des Betroffenen in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten als optimaler Weg zur Nutzung seiner Daten. Erfolgt diese Zustimmung des Betroffenen in Zusammenfassung mit weiteren Erklärungen, die abgegeben werden sollen, ist nun ausdrücklich dafür zu sorgen, dass der Text zur Einwilligung der Datenverarbeitung "in drucktechnisch deutlicher Gestaltung besonders hervorgehoben" werden muss. Erfolgt die Einwilligung nicht schriftlich, ist sie durch die verantwortliche Stelle schriftlich zu bestätigen. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 16.07.2008 allerdings betont, dass ein solches Vorgehen nicht für die werbliche Ansprache per Telefon, SMS, Fax oder E-Mail. Hier ist die ausdrückliche Einwilligung (Opt-In) Voraussetzung.
Eine Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke des Adresshandels oder der Werbung ist grundsätzlich nur mit Einwilligung der Betroffenen möglich. Das Listenprivileg des § 28 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 BDSG (bisherige Fassung) wird zum Listendatenprivileg nach dem neuen § 28 Absatz 3 BDSG modifiziert. Es ermöglicht fünf Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis, wenn allein nicht-sensible Listendaten für Werbezwecke verarbeitet und genutzt werden. Folgenden Merkmale sind hier erlaubt:

• Personengruppen-Zugehörigkeit (als gemeinsames Listenmerkmal),
• Berufs-, Branchen- oder Geschäftsbezeichnung,
• Name,
• Titel und akademischer Grad,
• Anschrift,
• Geburtsjahr .

Weitere Daten wie etwa E-Mail-Adresse, Rufnummer oder vollständiges Geburtsdatum fallen nicht hierunter.

Das neue Listendatenprivileg findet seine Anwendung in folgenden – thematisch zusammengefassten – Bereichen:


• Eigenwerbung
Zulässig, wenn die Daten direkt beim Betroffenen im Rahmen eines Vertragsverhältnisses (oder eines vertragsähnlichen Verhältnisses) bzw. aus allgemein zugänglichen Adress-, Rufnummern-, Branchen- oder vergleichbaren Verzeichnissen erhoben wurden. Wichtig: Das Internet als solches ist nicht als Verzeichnis zu verstehen, entsprechend aus dem Scannen online verfügbarer Veröffentlichungen gewonnene Daten sind nicht als rechtmäßig erhoben zu verstehen.
Nach § 28 Abs. 3 Satz 3 BDSG darf die verantwortliche Stelle diese Daten zu eigenen Zwecken anreichern, wenn diese ebenfalls rechtmäßig zu einem anderen Zweck erhoben oder übermittelt worden sind, beispielsweise zur Verbesserung der Kunden- oder Vertragsbeziehung im Rahmen des § 4 Absatz 3 BDSG. Längst gängige Praxis ist hiermit legitimiert.


• Fremdwerbung
Die Nutzung eigener Daten zum Zweck der Werbung für fremde Angebote – insbesondere beim so genannten "Empfehlungsmarketing" - ist zulässig. Jedoch muss die verantwortliche Stelle klar erkennbar sein – das bedeutet, dass generell die Stelle, die den betroffenen Datensatz erhoben hat, genannt werden muss, selbst wenn durch die Übermittlung der Informationen mehrere Stellen dazwischen stehen können. Hier wäre beispielsweise ein Hinweissatz praktikabel. In der Praxis bedeutet dies sicherlich mehr Transparenz für den Betroffenen im Falle von Lieferketten und damit die Möglichkeit für eine bessere Einflussname in Bezug auf Werbewiderspruch und Auskunftsersuchen. Für die verantwortliche Stelle kann dies aber auch die Brandmarkung zum "Datenverkäufer" bedeuten. Die Aufbewahrungsfrist von zwei Jahren im Bereich des Listendatenprivilegs (§ 34 Absatz 1a BDSG) soll die Betroffenenrechte sichern.


• Business-to-Business (b2b)
Weiterhin zulässig, sofern beachtet wird, dass freiberuflich oder gewerblich Tätige ausschließlich auf ihrer geschäftlichen Basis und ausschließlich für beruflich bedingten Bedarf angesprochen werden. Das Vorhandensein einer privaten Wohnung an derselben Adresse schadet dagegen nicht.


• Spenden
Zulässig unter der Voraussetzung, dass die Zuwendungen nach §§ 10b und 34 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerbegünstigt sind.

Für den Markt- und Meinungsforschungsbereich gilt ab sofort eine eigenständige Norm, nämlich § 30a BDSG. Besonderheit für diese Branche ist wohl vor allem die generelle Pflicht zur Bestellung eines DSB nach § 4f Absatz 1 Satz 4 BDSG. Der Bereich Scoring und Auskunfteien wird ab Herbst durch eigenständige Regelungen in § 28b BDSG behandelt.
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